Selfmade me -was macht uns aus?
- Edwart
- 15. Jan. 2018
- 2 Min. Lesezeit
"Deff hab iff allef felpftgemacht", schmatzt Kathrin mir ins Ohr. Dabei zieht sie zwei knatschgelbe "fröhliche" Perlenketten aus Ton aus ihrer Tasche. Kathrin hat nicht nur die Ketten selbstgemacht sondern sich, wie immer, überraschend selbst einladen. Dabei hat Sie es sich allerdings nicht nehmen lassen mich mit einigen ihrer vielzähligen selbstgemachten Produkte zu verwöhnen.
Seit Kathrin ihren Burnout hat füllt sie ihren Alltag mit Volkshochschulkursen und Selbstgebasteltem (gerne auch in Kombination). Mit Glittersternen und buntem Klebeband versucht sie ihre fehlende Kreativität und ihr mangelndes Selbstbewusstsein zu überspielen.
Ich lächle Kathrin an und nehme mir noch ein Stück ihres, natürlich selbstgemachten, Kuchens. Die Kombination Banane- Chicorée bringt fast mein Frühstück wieder zum Vorschein. Während ich mit dem Kuchen ringe packt Kathrin einen Magazinartikel auf den Tisch mit der Überschrift: "Intimfrisuren zum nachrasieren". Ich bete zu Allem was mir heilig ist das sie in ihrem nächsten Satz nicht: "nach gemacht" oder "mal ausprobiert" verwendet, oder noch schlimmer: mir das Ergebnis präsentiert.
Ich kann mich allerdings nicht auf ihren begeisterten Redeschwall konzentrieren da ich vollkommen weggetreten ihre Frisur beäuge. Kathrin hat sich die Haare gefärbt (natürlich selbst) und sieht jetzt aus wie eine in die Jahre gekommene Playmobilfigur.
"Hörst du mir überhaupt zu?", tönt es unter dem Haarhelm. "Ja klar. hochinteressant dieser Artikel", antwortete ich nicht ganz ehrlich. Irgendwie tut sie mir schon Leid. Vielleicht ist dies der Grund weshalb es Kathrin gelingt mich in einem schwachen Moment erfolgreich zum Kurs "Badezimmer selbst töpfern" zu überreden. "Mit dieser Frisur ist die Frau gestraft genug", denke ich mir als es schließlich Richtung Volkshochschule geht. Am Tag der Veranstaltung tummeln sich schon mehr 50- jährige Frauen vor der Tür des Gebäudes als Teenager vor einer Bushaltestelle. Eine packt prompt Früchtebrot für alle aus. Irgendwie niedlich wie sie da alle in ihren Batikoberteilen und Filzhaarbändern stehen. Sie alle gehören zu der Kategorie welche auf jedem rumänischen Rhabarberfest den Plunder kauft den sonst keiner will.
Der Kurs war besser als erwartet. Ich habe jetzt immerhin schon mal einen Stapel Türkis-rosafarbene Fließen für mein zukünftiges Badezimmer.
Aber irgendwie beschleicht mich der Gedanke in mir selber auch ein bisschen Kathrin zu finden. Ich höre überdrehte dauerfröhliche Musik um den tristen Alltag zu überdecken und schreibe zynische Artikel in einem Blog den sowieso keine Sau liest. Ich braue mir „green Smoothies“ welche im Übrigen nicht nur scheiße schmecken sondern auch nicht so viel Spaß machen wie ein Schokoshake. Ich kann verstehe die elbischen Sprachen fließend und kann „Frozen“ schon mitsprechen (und singen) und dass obwohl beides absolut sinnlos ist. Haben wir nicht alle eine kleine Kathrin in uns die das Leben etwas bunter macht? Vielleicht erscheinen Kathrins schiefe Häkeldecken oder bunte Gemüsetorten nicht notwendig, aber sie haben etwas was oft im Leben und Alltag fehlt: Leidenschaft, Freude und Herzblut. Sie helfen uns unser Leben liebenswert zu machen auch wenn wir nicht mehr der heißeste Schuss, oder kein Kariereüberflieger sind.
Ich wünsche mir dass alle kleinen Kathrins und ihre Schrullen unser Leben bunter machen.

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